Im letzten Jahr stand mit Robert Ortiz, Küchenchef im Lima Fitzrovia (London), die peruanische Küche im Mittelpunkt des Black Table Dinners. Gibt es eine Landesküche, die Sie beinflusst?
Wir haben immer Einflüsse aus der asiatischen Küche. Zur Zeit arbeiten auch zwei koreanische Köche bei uns. Aber auch spanische und französische Produkte spielen eine Rolle. Es ist im Grunde ein Streifzug durch die Welt.
Das Black Table Dinner wird 2016 zum Fashion Dinner. Zwischen den sechs Gängen wird es Mode ungarischer Designer zu sehen geben. Wie gefällt Ihnen dieses Konzept?
Da freue ich mich schon sehr drauf – das habe ich doch richtig verstanden, dass die Models in die Küche kommen? (lacht) Also, ich finde Essen und Fashion passen gut zusammen und wir möchten doch, dass sich die Gäste gut unterhalten. Beides ist eine kreative Arbeit mit tollen Materialien und erzählt immer eine Geschichte.
Gibt es in der Küche auch den Zwang zur Originalität?
Der Druck in der Mode ist sicherlich sehr hoch und die Aufgabe besteht denke ich darin, neben den vielen Kollektionen auch eine Wiedererkennbarkeit zu erzeugen. Den eigenen Stil finden, das ist beim Kochen genauso. Ich muss nicht immer alles neu erfinden. Aber wenn wir etwas machen, dann muss es auch in die Linie passen, so dass die Gäste bei ihren Besuchen im la vie die Sprache von Thomas Bühner erkennen.
Wie viel Neues und in welchen Zeitabständen wird von einem Sternekoch erwartet?
Da haben wir es ein bisschen leichter als die Designer. Bei uns herrscht Evolution statt Revolution. Ich muss nicht morgen alles für altmodisch erklären. Wir gehen durch das Jahr. Und wie auch in der Mode, gibt es Sachen, die wiederkehren, weil sie gut sind, weil die Gäste danach fragen, weil sie in den Kontext passen. Ein Menü ist nicht nur die Aufreihung von 10 spannenden Sachen, sondern sollte eine Dramaturgie besitzen. Es gibt laute und leisere Sachen, aber man muss als Koch die Spannungskurve halten können.
Wer erwartet denn Neues von Ihnen. Sind das die Kritiker, die Gäste oder die Presse?
Am häufigsten fragen die Journalisten nach. Ich fühle mich aber nicht getrieben, immer wieder Neues zu entwickeln. Oft ergibt es sich auch von alleine. Weil man auf neue Produkte stößt, wie jetzt mit den Ölen und Essigen von Pödör.
Trendforscher behaupten, dass das Essen die Mode als ideale Ausdrucksmöglichkeit der eigenen Persönlichkeit ablöst. Merken Sie davon schon etwas?
Das wäre toll, wenn es so kommt. Aber ich denke, so etwas funktioniert in Stufen. Grundsätzlich ist wichtig, dass mehr über das Essen geredet wird. Und damit meine ich Essen im Sitzen und nicht im Stehen und Gehen. Die beste Entwicklung, egal auf welchem Niveau, ist, wenn die Leute sich wieder an den Tisch setzen. Ich fände es schon toll, wenn gutes Essen im Freizeitverhalten der Menschen eine Rolle spielt. Sei es in der Familie oder mit Freunden. Wenn sie anfangen Essen wieder zu zelebrieren.
Blitzlichtgewitter auf dem Laufsteg kennt man. Essen wird als Mittel zur Selbstdarstellung immer häufiger fotografiert und in den sozialen Netzwerken geteilt. Fotografieren Ihre Gäste auch schon die Teller?
Das passiert laufend – aber bitte immer ohne Blitz, damit die anderen Gäste sich nicht gestört fühlen. Ja, in der Tat, vor dem ersten Bissen ist der Teller schon auf Facebook.
Welchen Küchentrends können Sie etwas abgewinnen: Wildkräuter, Insekten, alte Gemüsesorten?
Alte Gemüsesorten finde ich gut, auch Blüten wie Bohnenblüten, Borretschblüten, Tagetes setzen wir ein. Bei Insekten bin ich da vorsichtiger. Wir möchten in unserer Küche nicht provozieren. Aber eigentlich ist es nur ein schmaler Grat und hat viel mit Gewohnheiten zu tun: Bei Büsumer Krabbe habe ich kein Problem, aber bei Heuschrecke hätte ich ein Problem. Schlange ist ein Problem – aber Aal ist kein Problem. Hühnereier kein Problem – Hühnerkamm ist ein Problem.
Auch Kochen ist ein Saisongeschäft. Welchen Stellenwert hat für Sie Saisonware?
Saisonale Produkte einzubinden sollte schon sein. Im Februar habe ich beispielsweise kein Interesse daran, etwas mit Erdbeeren oder weißem Spargel zu machen.
Auf welches Gemüse oder Obst freuen Sie sich im Frühling?
Rhabarber ist immer wieder toll. Wenn es damit losgeht, dann ist wirklich Frühling. Auch die Holunderblüten sind für mich ein Zeichen für den Frühling. Jedes Jahr aufs Neue freue ich mich auch auf Spitzkohl und Rosenkohl und auf frische Pilze.
Im la vie bieten Sie Kurse an, in denen es darum geht, die Qualitätsmerkmale von Waren zu erkennen. Können Sie ein Beispiel nennen?
Wir nennen unser Angebot die Grundschule des guten Geschmacks. Es gibt so viele Kochsendungen wie nie, aber allzu oft geht es um Klamauk, selten darum, fundiertes Wissen zu vermitteln. Kochen steht für mich auf mehreren Säulen. Ich unterteile in Produktqualität, Vorbereitungsqualität und Verarbeitungsqualität. Das beste Fleisch, ist nicht das wo kein Fett dran ist. Neben der Produktqualität ist auch die Verarbeitungsqualität wichtig. Es ist wichtig zu erklären, wie sie mit den Produkten umgehen sollen. Sie können das beste Rindersteak gekauft haben, und es trotzdem noch durch eine falsche Verarbeitung zum Beispiel Versalzen. Die dritte Säule ist die Vorbereitungsqualität. Auch hier kann man scheitern. Wenn Sie abends ein tolles Steak braten wollen, dann gehört dazu, dass Sie es schon nachmittags aus dem 0-Gradfach holen und nicht eiskalt in die heiße Pfanne werfen.
Wie stellen Sie die Qualität eines Öls fest?
Da hilft nur probieren. Und niedrige Preise sollten einen immer stutzig machen. Es muss aber auch gezeigt werden, wie man mit kaltgepressten Ölen umgeht und wie man sie dosiert. Ich kann Olivenöl in die Pfanne geben und mein Lammkotelett darin braten. Dann hat es keinen Einfluss auf die Qualität und den Geschmack des Koteletts, denn bei über 80 Grad ist der Geschmack des Olivenöls weg. Aber wenn ich ein sehr gutes Öl habe, kann ich auch folgendermaßen vorgehen: ich gebe einen Teelöffel pro Portion auf einen Teller und stelle es in den Kühlschrank. Dann brate ich das Lammkotelett vorsichtig, wende das Fleisch einmal kurz in dem eiskalten Öl und serviere dann sofort. So habe ich den Effekt, dass das Öl durch das Fleisch erwärmt wird und das Fleisch regelrecht nach dem Öl duftet. Man braucht weniger von den hervorragenden Sachen und genau hier haben sie auch ihren Sinn und Zweck.
Pödör bietet über 20 verschiedene reine Sortenöle an. Beim Blick auf das Sortiment: Welche Öle interessieren Sie, welche haben Sie überrascht?
Leindotteröl kannte ich bislang noch nicht, auch das Chiaöl ist neu für mich, das ist ja gerade sehr in Mode. Pistazien haben wir bislang geröstet und fein gemahlen, hier werden wir jetzt mal mit Pistazienöl arbeiten. Auch das Erdmandelöl klingt für mich spannend, da wir ja auch Gerichte mit Erdmandeln im Menü haben. Noch nie habe ich eine solch durchgängige Qualität bei Essigen wie auch beim Öl festgestellt.
Wie setzen Sie Essige und Balsamicos ein?
Wir nutzen sie für Marinaden, Cremes und Dressings. Weihnachten hatten wir im la vie eine Aktion für Kinder. Wir haben sie unter dem Motto „Festival der Sinne“ an Zimt, Mandarinenschalen und an Apfelbalsamico Crema riechen lassen. Der Apfel war so eindeutig, dass auch achtjährige Kinder kein Problem beim Erkennen hatten. Dieser Crema duftet wie eine Kiste voller Äpfel.
Kochen Sie eigentlich auch privat?
Gar nicht mehr. Allenfalls wenn Freunde zu Besuch kommen. Aber ich lasse mich auch gerne bekochen. Ich bin nicht der pingelige Esser und ich probiere alles. Auch Bockwurst mit Kartoffelsalat.
Was ist Ihr Lieblingsgericht aus Kindheitstagen?
Milchreis mit Zimt und Zucker oder einen Apfelauflauf mit Biskuitteig, den meine Mutter gemacht hat. Auch Reibekuchen gehört zu diesen Favoriten.